Extroverted Images im FOTOHOF
26. Mai 2025
m53a
Die aktuelle Ausstellung im FOTOHOF entstand in kuratorischer Zusammenarbeit von Valentin Backhaus, Mateusz Dworczyk und Katrin Froschauer – im Gespräch richten Katrin und Valentin den Blick auf mögliche Zukünfte fotografischer Bildwelten
Extroverted Images versammelt Arbeiten von Billie Clarken, Nikita Diakur, Clemens Fischer, Alex Grein und Lucas Leffler – fünf internationalen künstlerischen Positionen, die Fotografie physisch dehnen, verformen und in neue Kontexte überführen. Im Interview sprechen wir mit zwei der drei Kurator:innen über ihr Verständnis einer erweiterten Fotografie, über den Einfluss neuer Technologien auf bildgebende Prozesse und darüber, wie zeitgenössische Künstler:innen den Raum zunehmend als Teil des Bilds begreifen und inszenieren.
m53a: Am FOTOHOF arbeiten viele Leute zusammen. Wie entwickelt man da ein funktionierendes Ausstellungskonzept?
Valentin: Wir arbeiten eigentlich als Kollektiv. Der FOTOHOF ist ein Verein, wir entscheiden also zusammen über das Programm.
Katrin: Jede:r hat einen eigenen Blick, den er oder sie mit einbringt. In unseren Sitzungen werden Vorschläge präsentiert, alle Themen und Künstler:innen, die uns jeweils interessieren, und dann wird diskutiert. Eine Ausstellung aufzuziehen ist natürlich viel Aufwand, da ist es in der Gruppe einerseits spannend, weil du immer im Austausch stehst, und andererseits kann man die Aufgaben aufteilen – als Gruppe zu kuratieren ist also doch auch praktisch.
m53a: Die aktuelle Ausstellung ist recht ungewöhnlich, wenn man sie mit bisherigen Ausstellungen im FOTOHOF vergleicht. Die gezeigten Arbeiten sind deutlich experimenteller. Ein klassisches Foto hängt dabei nicht an der Wand. Wie viel Fotografie steckt überhaupt noch in den Arbeiten, die gezeigt werden?
Katrin: Ich finde sie ist in jeder der Arbeiten vorhanden, auch wenn das auf den ersten Blick vielleicht nicht so wirkt. Wir fragen hier ja eigentlich: „Was kann Fotografie außerhalb ihres klassischen Rahmens, der sie sonst eigentlich immer umgibt. Was kann sie noch leisten?“
Valentin: Wir wollten eben genau das zeigen: eine Fotografie, die den Rahmen verlässt, die sich selbstbewusst nach außen richtet, die extrovertiert ist – ganz im Sinne Peter Weibels „erweiterter Fotografie“. Daher auch der Titel der Ausstellung. Wir fanden es interessant, eben diese bildhauerischen Ansätze zu zeigen und unseren schönen Ausstellungsraum anders zu nutzen.
m53a: Wie wichtig ist die Beschäftigung mit der Fotografie heute, im Kontext von KI-generierten Bildern und Deepfakes, in dem das fotografische Bild auf dem Prüfstand steht?
Valentin: Alex Grein nimmt für ihre Arbeit Speicher (2021) Bilder aus ihrem eigenen Archiv. Das ist Gebrauchsfotografie, die sie mit ihrem Handy macht oder mit Kameras. Dann friert sie diese Bilder in Eisblöcke ein und durch dieses bestimmte Papier, das sie verwendet, verfließt dieses Foto beim Schmelzen wieder. Das Foto „verfließt“ sozusagen. Es verändert so den Aggregatzustand. Dann ist es vor allem interessant, das auf die heutige Zeit zu beziehen. Die Arbeit wird da zu einer Art Metapher für die Verflüchtigung von Bildern, die im digitalen Raum nicht mehr so greifbar sind. Ähnlich wie bei KI-generierten Inhalten oder Deepfakes, die ständig ihre Form, ihren Kontext und ihre Lesbarkeit verändern können.
Katrin: Und bei Billie Clarkens Chewing-Tongue-Arbeiten, den großartigen DVD-Hüllen, da geht es auch darum. Sie sucht sich Bilder aus dem Netz, von denen niemand mehr weiß, wann sie gemacht wurden oder wer sie gemacht hat. Da gibt es oft ganz seltsame Abbildungen; man kann dann nicht ganz einordnen, worum es bei dem Bild geht. Clarken findet gerade in den Bildern, die so herumschwirren, etwas Geisterhaftes. Sie arbeitet das heraus und bringt sie in den Raum, indem sie sie auf Schaumstoff druckt. Dieses Beschäftigen mit der Fotografie ist also immer wichtig!
m53a: Wie bewegt ihr euch als Kurator:innen zwischen der Auffassung von Fotografie als Dokument oder als künstlerisches Medium?
Valentin: Ich glaube, dass sich diese Unterscheidung schon sehr verflüssigt. Man kann das gut an den Arbeiten von Lucas Leffler sehen. In Implosion (2022) beschäftigt er sich mit den Umbrüchen in der Fototechnologie.
Katrin: Die Basis hier ist die Dokumentation eines historischen Ereignisses. Leffler baut auf einem dokumentarischen Ansatz auf, greift auf das Bildmaterial zurück und macht daraus wieder was Neues. Die Sprengung des Kodak-Werks ist damals gefilmt worden. Leffler nimmt da für Implosion nur ein Still aus einem YouTube-Video heraus. Dann denkt er das künstlerisch wieder weiter, indem er das auf diese iPhones der ersten Generation, die 2007 herausgekommen sind, mit dem Nass-Kollodiumverfahren überträgt. Darin stecken total viele Referenzen auf die Fototechnik. Aber bei ihm ist das ganz klar die Verbindung von Fotografie als Dokument und künstlerisches Medium zugleich.
m53a: Hat sich euer Verständnis von Fotografie durch die Arbeit hier an der Ausstellung geändert?
Katrin: Das ist ein ständiger Prozess. Gerade in den letzten Jahren gibt es die Tendenz zu fragen: „Wie zeigt man Fotografie?“ Das Display spielt auch in unserer Arbeit eine extrem große Rolle und das hat uns natürlich schon auch mit beeinflusst. Wie wir Künstler:innen, Fotograf:innen und ihre Werke zeigen, kann man nicht ganz losgelöst vom Werk selber betrachten. Das macht die Spannung aus und macht eine Ausstellung zu einem Gesamtwerk, wenn ein Display nicht nur ein Rahmen ist. Dann wird’s interessant.
m53a: Seht ihr die Chance, dass sich hier ein neues Selbstverständnis für die Fotografie entwickeln kann?
Valentin: Ja, das würde ich so sagen, vor allem weil die Grenzen der Fotografie zu unterschiedlichen Medien auch offen sind und von allen Seiten durchdrungen werden. Das sieht man auch bei der Arbeit von Nikita Diakur. Er ist in erster Linie 3D-Künstler, aber die Fotografie steckt noch drin in seiner Arbeit – in den Texturen, die er nutzt, in den Abbildungen von seiner Umgebung und von sich selbst.
Katrin: Spannend ist auch, wenn man sich die Biografien oder die Lebensläufe der Künstler:innen anschaut, welchen Bezug sie zur Fotografie haben und welchen Abschnitt in ihrem Schaffen eine Arbeit darstellt. Clemens Fischer zum Beispiel hat Fotografie an der Ostkreuz studiert und ist jetzt an der Universität der Künste Berlin in der Klasse „New Media Art“. Obwohl er sich weiterentwickelt und neue Ausdrucksformen findet, bleibt das fotografische Know-How, das er sich angeeignet hat, spürbar präsent. Es zeigt sich jetzt in der Technik, die er verwendet – in der Nutzung von Kameras, die er mit seinen Holzkonstruktionen kombiniert. Die Fotografie ist also nicht mehr im Vordergrund, aber sie ist weiterhin als Fundament in seinem Werk erkennbar.
m53a: Wohin entwickelt sich denn, eurem Gefühl nach, die Nachwuchsgeneration in der Fotografie?
Katrin: Die Szene ist sehr vielfältig und breit aufgestellt. Es gibt junge Künstler:innen, die sehr dokumentarisch arbeiten …
Valentin: … und dann gibt es auch diese Grenzgänger:innen, die auf der einen Seite mit Performance und Fotografie arbeiten, auf der anderen Seite mit Einflüssen aus der digitalen Welt – und dann spielt das Bildhauerische wieder eine wichtigere Rolle.
Katrin: Ich denke, es geht da vor allem auch um die Präsentationsmöglichkeiten; für mich persönlich ist diese Displayfrage sehr zentral. Wenn man heute auf unterschiedlichen Ausstellungen unterwegs ist, bemerkt man, dass auf Stoffen gedruckt wird und installativer gearbeitet wird. Es ist der Versuch da, etwas anders zu machen als die Vorgängergenerationen.
noch bis 31. Mai
Extroverted Images
Billie Clarken, Nikita Diakur, Clemens Fischer, Alex Grein, Lucas Leffler
FOTOHOF Galerie
Di–Fr | 15–19 Uhr
Sa | 11–15 Uhr
Kuratiert von Valentin Backhaus, Mateusz Dworczyk, Katrin Froschauer


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