Im Porträt

Im Gespräch mit Waltraud Mauroner

19. Dezember 2024
m53a

Waltraud Mauroner © Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg

Seit nunmehr 52 Jahren betreiben Mario und Waltraud Mauroner in den Gewölberäumen der Residenz die Galerie Mario Mauroner Contemporary Art (MAM). Im Gespräch mit Waltraud Mauroner hat das magazin53a mehr über die Geschichte der Galerie und in Folge über die Geschichte der Kunstszene in Salzburg erfahren

Die wechselnden Großplastiken im Innenhof der Salzburger Residenz fallen immer ein wenig aus dem barocken Umfeld heraus. In ihrer häufig ungewöhnlichen Materialität und Motivik scheinen sie so gar nichts mit dem fürstlichen Ambiente des DomQuartiers zu tun zu haben. Gerade wird ein großformatiges, anatomisches Herz präsentiert, dessen Oberfläche aus Badeweichschaummatten modelliert und in Aluminium gegossen wurde. Als temporäre Installation markiert die Plastik von Paolo Grassino den Eingang zur Galerie von Mario und Waltraud Mauroner.

Was es bedeutet, eine Kunstgalerie zu betreiben, ist häufig schwer zu greifen. Galerist:innen bieten im besten Fall nicht allein physischen Raum zur einfachen Präsentation künstlerischer Arbeiten, sondern auch Kapital in Form von Ressourcen, Infrastruktur, inhaltlicher Auseinandersetzung und freundschaftlicher Unterstützung. Auf schwer zu dividierende, komplexe Art und Weise verflechten sich Freundschaften mit Netzwerken und monetäre Interessen mit inhaltlichen sowie ästhetischen Prinzipien. Hinzu kommt, dass der Kunstmarkt selber ein schwer umkämpfter Ort ist – vermeintlich. Blickt man nämlich auf die allgemein bekannten Zahlen, scheint es, als sei dieser Kampf lange entschieden. Der Großteil des Umsatzes wird von einer kleinen, einsamen Spitze gemacht. Die häufig jahrelange Arbeit, die noch junge oder kleinere, sagen wir mittelständische Galerien in Künstler:innen investieren, ist immer auch dem Risiko eines Absprungs eben dieser ausgesetzt. Kunstschaffende – auch solche, mit denen man seit Jahren zusammenarbeitet – gegenüber sogenannten Blue-Chip-Galerien zu halten, sei nicht immer einfach gewesen, berichtet auch Waltraud Mauroner. Als erste Galerie in Österreich stellten sie Arbeiten von Tony Cragg aus. Damals hatten sie mit Cragg den gesamten Hof der Residenz bespielt und die komplette Ausstellung erfolgreich an diverse Museen im In- und Ausland verkauft. Heute wird der britisch-deutsche Künstler in Österreich von Thaddaeus Ropac vertreten.

Innenhof Residenz links: Tony Cragg’s „Early Forms”, im Vordergrund „New Curly”, im Hintergrund „Molly”, rechts: Tony Cragg, „Stone Cloumn” © Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg

Das umfassende Programm der MAM besteht mittlerweile aus bis zu 50 Künstler:innen, mit denen man mal mehr, mal weniger häufig und wiederholt zusammenarbeitet. Dabei deckt die Galerie sowohl international etablierte Positionen ab, die zahlreiche museale Einzelausstellungen, Biennale- und Documenta-Beteiligungen vorweisen können – diese alle aufzuzählen wäre so umfangreich wie unnötig ermüdend. Zentral im Programm seien immer auch junge aufstrebende Künstler:innen gewesen: „Wir haben auch immer versucht, uns mit jungen Leuten zu umgeben“, erzählt Waltraud Mauroner, „die haben andere Ideen und Vorstellungen und das muss ich wissen, da will ich mich hineindenken“. Diese Beschäftigung mit jungen Positionen, auch um dem dynamischen Kunstmarkt gerecht werden zu können, zeigt sich beispielsweise in der noch bis 02. Februar 2025 geöffneten und sehr gelungenen Präsentation von Georg Haberler oder auch in zurückliegenden von Anouk Lamm Anouk.

Seit 1972 befindet sich die als Academia gegründete Galerie am selben Ort: im Herzen der Salzburger Altstadt. Die junge Künstlergruppe Rainberg [Anm. d. Red.: unklar, ob nur männliche Mitglieder], bestehend aus Poeten, Musikern und Malern, startete dort mit selbstorganisierten Ausstellungen und Veranstaltungen – in wohliger Atmosphäre des alten Gemäuers und Gewölbes. Im Wissen, dass die Mauroners auf der Suche nach einem Geschäftslokal sind, bot der damalige Hofrat Alois Grüner ihnen daraufhin diese Räumlichkeiten an. Begonnen habe alles bereits zuvor ganz bescheiden als Studierendeninitiative. Gemeinsam mit der Hochschüler:innenschaft gab das Paar noch zu Studienzeiten die Zeitung DeFacto mit einer Auflage von 5000 Stück heraus. Teil dieser Zeitung sei eine redaktionell betreute Seite mit Kunst für Studierende gewesen. Hier wurden erschwingliche Künstlereditionen verkauft. Gemeinsam mit der Galerie Ernst Hilger aus Wien gaben die Galeristen beispielsweise Editionen damals noch verhältnismäßig unbekannter Künstler:innen heraus. Heute sind einige von ihnen wie etwa Arnulf Rainer nicht mehr aus der österreichischen Kunstgeschichte wegzudenken. Die MAM entwickelte sich also ausgehend von einer studentischen Idee hin zu einer der prägendsten Salzburger Galerien. Editionen, die sich in den 70er- und 80er-Jahren einer großen Beliebtheit erfreuten, wurden aus künstlerischen Kreisen häufig auch als eine Art Demokratisierung der Kunst wahrgenommen. Dieser studentische, gesellschaftskritische Impuls einer 68er-Bewegung ist biografisch auch bei Mario Mauroner persönlich zu finden, der sich als jahrelanger Vorsitzender der ÖH in Salzburg politisch aktivistisch beispielsweise über die Salzburger Nachrichten öffentlich an der Kritik gegenüber Politik und Kirche beteiligte.

Anfangs habe die Galerie noch wöchentliche Veranstaltungen organisiert, da gerade für ein junges Publikum Salzburg in den 70er-Jahren so gut wie nichts zu bieten hatte: „Damals gab es nichts in Salzburg. Überhaupt nichts. Wir waren das Rockhouse, wir waren das Literaturhaus, wir waren das Ich-weiß-nicht-was-Haus, wir waren eigentlich alles“, erzählt die Galeristin bewusst überspitzt. Und in der Tat: Wirft man einen Blick auf die Gründungsdaten der heute bestehenden Institutionen fällt auf, dass sowohl das Museum der Moderne mit seinem ersten Standort Rupertinum, die Galerie Thaddaeus Ropac, der FOTOHOF, die eboran galerie und die ARGEKultur erst Anfang bzw. Mitte der 80er-Jahre gegründet wurden; das Rockhouse und Literaturhaus sowie die 5020 sogar erst Anfang der 90er. In ihren Anfängen verstand sich die MAM Galerie als eine Art Multikulturzentrum mit angeschlossener Bar. Der äußerst proaktive Anspruch spiegelte sich auch in den Öffnungszeiten wider. Da hieß es auf den Plakaten: „Galeria Academia, täglich geöffnet von 10–24 Uhr.“ Sollte es mal später werden, wurden kurzerhand die Tore der Residenz geschlossen und das zeitgemäße Herz eines sonst konservativen Salzburgs blieb weiter für sich. Bis zu 300 Menschen versammelten sich „unerlaubterweise“, wie Herr Mauroner im Gespräch aus dem Off lachend hinzufügt, wöchentlich bei den Veranstaltungen. Aber wer sollte sich daran stören? Der Landeshauptmann selbst sei regelmäßiger und willkommener Gast gewesen. Hier im städtebaulichen Zentrum Salzburgs, umgeben von Altstadt, Kirche und Barock, wurde eine junge, moderne Gegenwartskultur gefeiert.

In den späten 80er-Jahren erwarben Waltraud und Mario Mauroner dann ihr Haus am Ignaz-Rieder-Kai. Der umliegende Garten bot dabei Platz für den großskulpturalen Schwerpunkt der Galerie. Das besondere 30er-Jahre Ambiente mit deutlichen Anleihen an Bauhaus-Architektur wurde ein Jahr später um einen Anbau erweitert, in dem bis heute zumeist im Sommer zusätzliche Ausstellungen präsentiert werden. Helle, großzügige Räume bieten hier seitdem erweiterte Möglichkeiten für Präsentationen, die im bisherigen Raumkonzept der Residenz nicht umsetzbar gewesen wären. Die klare Architektur des Anbaus schmiegt sich regelrecht nahtlos an den originalen Baubestand des restlichen Hauses und überrascht im Inneren mit Ein- und Ausblicken in Innenhöfe und Nischen, die von diversen Großplastiken besetzt werden.

Während der programmatische Schwerpunkt zu Anfang viel spanische Kunst umfasste – gerade in den 70er- und 80er-Jahren, als diese in Österreich noch keine wirkliche Bühne hatten – habe sich das Programm durch einen 2004 neu eröffneten Standort in Wien nochmals deutlich geändert. Blickt man auf die Liste vertretener Künstler:innen scheint sich vor allem ein Schwerpunkt auf Skulpturen und Installationen sowie Lichtobjekte, gegenstandslose Malerei sowie hin und wieder fotografische Ausreißer auszumachen. In absoluter Bestlage und durch den eigenfinanzierten Umbau eines ehemaligen Buchauslieferungslagers bespielte das Ehepaar über beinahe 20 Jahre hinweg eine Fläche von circa 1300 Quadratmeter. „Einen Raum in dieser Größe mit diesem Umfang regelmäßig mit zwei bis drei Ausstellungen zu bespielen, ist eine große Herausforderung“, berichtet Waltraud Mauroner. Das, was sie an Wien dennoch vor allem vermisse, seien natürlich genau diese großen Räume. Auf das stete Pendeln und die Tratschereien in der städtischen Galerieszene könne man allerdings gut verzichten. Heute beheimaten die Räumlichkeiten übrigens das erst kürzlich eröffnete Wiener Aktionismus Museum.

Frau Mauroner – eine wunderbar herzliche und sehr redselige Frau, mit einem eindrücklichen, fast verschmitzten Lachen – hat viel zu erzählen. Die jahrzehntelange unaufhörliche Freude an der Tätigkeit als Galeristin zeugt von bemerkenswerter Energie und Liebe für ein Leben in und mit der Kunst. Nach wie vor sind die Mauroners auch international auf Kunstmessen unterwegs, sei es die Art Düsseldorf, Art Dubai oder Art Brussels. Die ersten 30 Jahre waren sie auch auf der Art Basel vertreten – heute blickt Frau Mauroner eher zurückhaltend auf diese. Hin und wieder sehe man da noch aufregende Positionen, aber auch das trage sich mit der Zeit ab. Und um die immer selbe Kunst zu sehen, könne man auch gleich ins Museum gehen. Wo man heute in Salzburg noch aufregende, junge Positionen sehen kann? Da falle ihr in erster Linie die Elektrohalle ein.

Seit mehr als 50 Jahren eine Galerie zu betreiben, die ein umfassendes, internationales Programm bereit hält, das auch häufig mit Positionen aufwartet, die zunächst irritieren mögen, ist vielleicht gerade für eine Stadt wie Salzburg ein besonderer Gewinn. Mit der Zeit zu gehen, wie es so kitschig heißt, ist sicherlich kein einfaches Unterfangen – vor allem als kommerzielle Galerie, die sich einem steten, großen Wettbewerb ausgesetzt sieht. Ob sie manchmal die alte Kunstwelt vermisst? Das sei schwer zu sagen, berichtet die Galeristin an ihrem Esstisch, umgeben von hochkarätiger, über die Jahre gesammelter Kunst. „Manchmal ja. Die Qualität war häufig eine andere. Die Zeit war künstlerisch einfach sehr gut – aber ich muss auch sagen, dass meine Neugierde nach Neuem am Ende immer siegt.“