Im Porträt

Einen Schritt voraus: Philip Tsetinis fotografische Utopien

14. März 2025
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Philip Tsetinis vor „Innate Instinct 02“ (2024) © Richard Schabetsberger

Philip Tsetinis über das Medium Fotografie, fiktive Zukunftsentwürfe und seine künstlerischen Wurzeln

Tsetinis wurde 1993 in Hallein geboren, arbeitet und lebt jetzt in Wien. Zum Abschluss seines Studiums an der Universität für angewandte Kunst wurde er für seine Serie Unknown Polyphenism (2020–2022) von der Jury des FOTOHOF>CALLING ausgewählt und gewann 2022 die Paris Photo Carte Balance. Gemeinsam mit Detached (seit 2024) ist die Serie aktuell im Schloss Wiespach zu sehen. In seiner Ausstellung A Step Further Leads to Innate Instinct inszeniert der Künstler schleichende Transformationen und plötzliche Bruchpunkte im Zusammenleben von Mensch und Umwelt.

Wie viel Realität steckt in einem Foto?

Philip Tsetinis: Grundsätzlich kann man sagen, dass fotografische Bilder vor allem Interpretationen gelebter Momente sind – also bewusst kuratierte, subjektive Sichtweisen. Und doch fasziniert mich an der Fotografie genau dieses Paradox: Ein Teil des abgebildeten Geschehens hat tatsächlich stattgefunden, sodass selbst bei hohem Inszenierungsgrad ein Bruchstück Realität transportiert wird.

In meiner künstlerischen Praxis lege ich den Fokus auf gezielte Inszenierungen, um fiktive Situationen entstehen zu lassen und damit die Ästhetik scheinbar dokumentarischer Augenblicke zu simulieren. Diese bewusste Gratwanderung zwischen Authentizität und Inszenierung ermöglicht mir, herauszuarbeiten, wie Fotografie Wirklichkeit nicht nur abbildet, sondern sie auch formt.

Woher kommen die Geschichten, die du fotografisch erzählst? 

Philip Tsetinis: Die Geschichten in meinen Bildern entspringen einer Mischung aus alltäglichen Beobachtungen, persönlichen Erinnerungen und spekulativen Überlegungen zur Zukunft. Mich reizt es, die Fotografie ganz bewusst als Werkzeug einzusetzen, um Fiktionen zu erzeugen, die den Zufall dokumentarischer Aufnahmen simulieren. So entsteht ein Spannungsfeld zwischen einer vermeintlich realen Momentaufnahme und einer inszenierten, surrealen Erzählwelt. Dieser Ansatz erlaubt mir, persönliche Erfahrungen zeitgleich mit übergeordneten gesellschaftlichen Themen in meinen Kompositionen zu reflektieren und den Betrachter:innen Assoziationsräume zu öffnen.

Ausstellungen in Wien, Paris, … und immer wieder in Hallein – wie passt das zusammen?

Philip Tsetinis: Für mich ist es wichtig, im Ausstellungskontext ein breites Feld abzudecken: Einerseits möchte ich meine Arbeiten international präsentieren, andererseits ist es mir genauso ein Anliegen, sie dort zu zeigen, wo meine künstlerische Laufbahn ihren Ursprung fand. Auf diese Weise wird sowohl mein Wunsch nach weltweiter Sichtbarkeit als auch meine Verbundenheit mit meinen Wurzeln deutlich.

Philip Tsetinis in der Galerie Schloss Wiespach vor „Absorbtion“ (2020) © Richard Schabetsberger

Deine aktuelle Ausstellung trägt den Titel A Step Further Leads to Innate Instinct. Wie blickst du in die Zukunft – utopisch oder dystopisch?

Philip Tsetinis: Die beiden Konzepte sind eng miteinander verbunden: Der Wunsch nach einer utopischen Welt und die Angst vor einer dystopischen Zukunft treiben mich an. Wir leben in einer Zeit des rasanten technologischen Wandels, geopolitischer Spannungen und drängender ökologischer Herausforderungen. In diesem ‚brodelnden Kessel‘ scheint die Zukunft ungewiss. Für mich als Künstler ist es daher essenziell, diese Fragestellungen in meinen Werken zu thematisieren. Dabei sehe ich Utopie und Dystopie als zwei Seiten derselben Medaille, die unsere Vorstellung von Zukunft prägen. Auch wenn einige meiner Arbeiten dystopisch wirken mögen, bleibt der Wunsch nach einer besseren, utopischen Welt immer präsent.

„12:33:51 PM“ (2022) aus der Serie „Unknown Polyphenism“ (2020-2022) Copyright © Philip Tsetinis - All rights reserved
28. Februar bis 22. März

A Step Further Leads to Innate Instinct
Galerie Schloss Wiespach