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Dunkle Vergangenheit, neue Perspektiven – 90 Jahre Galerie Welz

21. September 2024
Emilia Schatzl

Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst, Saisonschluss. Kunsthändler Friedrich Welz spricht zu den Festgästen; 11.08.1961 © Stadtarchiv Salzburg, Fotoarchiv JOBA

Gedanken zum Umgang mit der schweren Geschichte einer der bekanntesten Salzburger Galerien sowie eine Reflexion über sich aufdrängende Möglichkeiten, die Bürde der eigenen Vergangenheit für die Stadt Salzburg und die Galerie selbst als Chance zu gestalten

Anlässlich ihres 90-jährigen Bestehens und der Festspielausstellung 2024 veröffentlichte die Galerie Welz als eine der bekanntesten und traditionsreichsten ihrer Art der Stadt Salzburg eine Jubiläumsschrift samt Ausstellungsband. Darin zu finden ist eine gut zehnseitige Bearbeitung der eigenen Geschichte, die auch ihrer dunkelsten Kapitel nicht entbehrt. Vielen ist kaum bekannt: Die ausgesprochene Nähe des Gründers der Galerie, Friedrich Welz, zur nationalsozialistischen Führungsriege. Als Profiteur des NS-Regimes pflegte er zu ihr engste Kontakte und zog als Kunsthändler maßgeblich Vorteile aus deren Verbrechen.

Friedrich Maximilian Welz wird am 02. November 1903 als Sohn des Rahmenhändlers und Vergolders Friedrich Welz geboren. Nachdem er als gelernter Tischler und Vergolder in der Wiener Leisten- und Rahmenfabrik seines Onkels arbeitet, wird er nach Ableben seines Vaters 1937 Eigentümer dessen Vergolder- und Rahmenwerkstatt in der Sigmund-Haffner-Gasse 16 – bis heute Standort der Galerie Welz. Im Artikel der aktuellen Ausstellungspublikation beschreibt der Salzburger Historiker Gerhard Ammerer, wie Welz „sich zunächst als illegales, später beigetretenes NSDAP-Mitglied mit einem schwunghaften Handel von Hitler-Porträts an das neue Regime“ anbiedert, während „sein Galerieprogramm der Nazi-Maxime der ‚entarteten Kunst‘ diametral dagegen“ steht. 1938 übernimmt Welz die arisierte Wiener Galerie Würthle, der er – wie auch einem jüdischen Zahnarzt und Amalie Redlich – Kunstwerke deutlich unter ihrem Marktwert abkauft. Es handelt sich hierbei um Werke von Klimt und Schiele.
Für den Salzburger Reichsstatthalter Friedrich Rainer (Anmk.: Rainer organisierte 1938 die Wanderausstellung ‚Entartete Kunst‘ im Salzburger Festspielhaus) tritt er ab 1940 fünf Pariser ‚Einkaufsreisen‘ an, wo er vor allem Stücke aus dem Besitz verfolgter Gruppen von höchstem Wert preiswert anschafft und Teile davon äußerst profitabel weiterverkauft. Seine Ausbeute wird zum Bestand der Salzburger Landesgalerie sowie zur Innenausstattung von Schloss Leopoldskron und Schloss Klessheim. Letzteres wird ab 1940 zum Gästehaus des Führers umgebaut – mehrmals empfing Adolf Hitler hier Benito Mussolini und feierte in Klessheim im April 1944 seinen Geburtstag.

Auf diese Weise arbeitete sich Friedrich Welz als Profiteur des Regimes vom Rahmenhändler zum Leiter der ab 1940 aufgebauten Landesgalerie Salzburg empor. Nach Kriegsende wird Welz im Camp Marcus W. Orr, dem Lager Glasenbach im Süden der Stadt Salzburg, von den US-Amerikanern interniert. Dort wurden nach den Bestimmungen des Automatic Arrest führende NSDAP-Mitglieder, Kriegsverbrecher und Sympathisanten des Regimes interniert, um sie später Befragungen zu unterziehen – mit mäßigem Erfolg. Eine ideologische Umerziehung fand nicht statt.

Nachdem das Lager Glasenbach, das größte seiner Art auf österreichischem Boden, 1947 aufgelassen und dem Österreichischen Staat übergeben wurde, waren durch die Amnestie von 1948 alle Minderbelasteten – der größte Teil der Beteiligten – von der Entnazifizierung nicht mehr betroffen. Mit der später folgenden NS-Amnestie von 1957 wurden Kriegsverbrecher:innen allen österreichischen Staatsbürger:innen wieder gleichgestellt.

Evelyn Tucker, die mit dem Fall Friedrich Welz betraut wurde, charakterisiert diesen in einer Befragung im November 1947 als “very shrewd man” (dt. schlau, gerissen, durchtrieben). Im selben Jahr wird er freigelassen, muss sich jedoch in der amerikanischen Besatzungszone aufhalten und jederzeit für weitere Verhöre bereit stehen.

1946 wurden während seiner Internierung 260 französische Kunstwerke sichergestellt und nach Frankreich gebracht. Bis in die 50er-Jahre wurden eine Vielzahl weiterer Restitutionsfragen geklärt – einen genauen Einblick diesbezüglich bieten die Publikationen von Fritz Koller sowie Roswitha Juffinger und Gerhard Plasser. Mit ‚ seinen‘ zeitgenössischen Künstler:innen pflegte er weiterhin engste persönliche Kontakte.
In den Nachkriegsjahren gelang es Welz nicht zuletzt durch die 1953 erfolgte Gründung der Schule des Sehens – heute Internationale Sommerakademie für bildende Kunst Salzburg – zusammen mit Oskar Kokoschka, als Förderer der zeitgenössischen Kunst auf andere Weise im kollektiven Gedächtnis Salzburgs zu bleiben.

Diese Schlaglichter finden sich neben weiteren ausführlich recherchierten Informationen in der im Eigenverlag herausgegebenen Jubiläumsschrift 90 Jahre Galerie Welz. Der Autor des Beitrags, der Salzburger Historiker Gerhard Ammerer, spannt dabei den Bogen von den Gründungsjahren bis in die jüngste Vergangenheit. Es kommt dabei weder die bereits illegal bestehende Nähe von Friedrich Welz zu zentralen nationalsozialistischen Funktionären zu kurz, noch wie er aus den Opfern des Systems finanziell profitierte und auch nach dem Zerfall des Deutschen Reichs keinerlei Fehlerhaftes in seinem Handeln erkannte.

Beurteilung und Problematik

Dass sich die Galerie Welz ihrer Geschichte durch einen historischen Sammelbandbeitrag widmet, ist durchaus als Fortschritt zu bewerten. Doch gerade, weil die NS-Zeit als Schattenseite der ‚Mozartstadt‘ im breiten kollektiven Gedächtnis zu oft fast vollständig untergeht und öffentlichkeitswirksame lokale Arbeit zur Geschichte des Nationalsozialismus immer wieder lauwarm und halbherzig, mehr schlecht als recht geschehen ist, drängt sich die Frage auf, ob die Galerie Welz ihre historische Aufklärungsarbeit hiermit als vollständig abgeleistet begreift. Sollte nun nach der Festspielausstellung die dazu erschienene Publikation und mit ihr auch besagter Sammelbandbeitrag von den Tischen der Galerieräume verschwinden, verschwindet damit die einzige Möglichkeit, vor Ort in der Galerie Welz mit der Geschichte ihres Gründers konfrontiert zu werden.

Mit diesem historischen Erbe ist die Galerie Welz übrigens nicht allein: Wirft man einen Blick ins unweit entfernte Linz, sieht man sich dort hinsichtlich der Vergangenheit des Kunsthändlers und -sammlers Wolfgang Gurlitt mit erstaunlich ähnlichen Voraussetzungen konfrontiert – vor rund fünf Jahren wagten dort das Lentos und das Nordico Stadtmuseum Ausstellungsversuche zu dessen Vermachenschaften, die zwischen Kunst, historischen Zeitzeugnissen und Gegenwart changierten.

Eine Frage der Sichtbarkeit

Passiert man die Galerieräumlichkeiten wie die meisten Passant:innen ohne Hintergrundwissen diesbezüglich, bleibt einem die Chance vollständig verwehrt, über dieses Kapitel der Salzburger Geschichte zu erfahren. Eine räumlich gut sichtbare Dauerausstellung in den Galerieräumen wäre eine angemessene Art, die historische Bearbeitung der eigenen Geschichte gut sichtbar in den eigenen vier Wänden zu konservieren und Kundschaft und Passant:innen dauerhaft zugänglich zu machen. Dass eine kommerzielle Galerie jedoch tatsächliche Ausstellungsfläche für diesen Bildungsauftrag freigibt, ist anzuzweifeln.
Besser noch: Ein Angebot schaffen – denkbar wäre eine Kooperation mit anderen hieran interessierten Akteur:innen –, um das Thema öffentlich im Rahmen von Vorträgen und Veranstaltungen mit Salzburger:innen und weiteren Interessierten zu thematisieren. Als mögliche Partner wären neben dem mit der Geschichte Welz in Zusammenhang stehenden Rupertinum, Salzburg Museum, Universität Salzburg, Landes- und Stadtarchiv ebenso NS-Opferverbände und Geschichtsvereine vorhanden.
Auch wenn es sich bei der Galerie Welz um keine öffentliche Einrichtung, sondern eine private Galerie handelt: Ein aktuelles, der Öffentlichkeit zugängliches Engagement und wahrnehmbares Bemühen der Galerie, sich aktuellen Provenienz- und Restitutionsfragen anzunehmen, wäre angesichts der Rolle von Friedrich Welz im Salzburg der NS-Zeit zweifellos angemessen.

Blickt man in die Vergangenheit, ist der Galerie Welz Engagement in diesem Bereich ohnehin nicht fremd: Franz Eder, zwischen 1978 und 2004 Leiter des Verlags Galerie Welz, engagierte sich in einst über die Datenbank Lost Art (https://www.lostart.de/) im Bereich der Restitution von Kunst- und Kulturgütern, die den Verfolgten zwischen 1933 und 1945 entzogen wurden. Er beteiligte sich auch an oben angesprochener Publikation zum Inventarbuch der Salzburger Landesgalerie.

Transparenz – Aufarbeitung der eigenen Vergangenheit als Chance für die Zukunft

Zum aktuellen Zeitpunkt scheint sich die Galerie Welz allerdings außerhalb der Publikation nicht weiter um Restitutionsdebatten, Provenienzforschung und den Verbleib von nicht rechtmäßig erworbener Kunst zur NS-Zeit zu engagieren, zumindest erfolgt dies nicht öffentlichkeitswirksam. Die NS-Vergangenheit als faktischen Teil der eigenen Geschichte zu begreifen – dabei jedoch nicht nur als Bürde, sondern als Chance für einen zukünftigen Bildungsauftrag –, sichtbar in die Verantwortung zu gehen und am Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur zur eingehenden Auseinandersetzung mit lokalen und regionalen Provenienz- und Restitutionsfragen zu arbeiten, ist eine Möglichkeit, die darauf wartet, ausgeschöpft zu werden.

Doch was nicht ist, kann ja noch werden: Zur Umsetzung einer solch bodenständigen Idee ist auch jetzt für die Galerie Welz noch reichlich Zeit vorhanden, immerhin liegt das 100-jährige Jubiläum – ein denkbar optimaler Anlass für eine konsequente und verhältnismäßige Auseinandersetzung – noch eine knappe Dekade vor ihr.

Literatur

Gerhard Ammerer, 90 Jahre Galerie Welz – Eine lange Geschichte im Zeitraffer, in: Verlag Galerie Welz, Hg., 90 Jahre Galerie Welz. Ein offenes Haus für die Kunst (Jubiläumsschrift anlässlich der Festspielausstellung 2024), Salzburg 2024, 208–221. 

Oskar Dohle, Peter Eigelsberger, Camp Marcus W. Orr. “Glasenbach” als Internierungslager nach 1945, Linz/Salzburg 2011.

Roswitha Juffinger, Gerhard Plasser, Salzburger Landessammlungen 1939–1955, Salzburg 2007.

Gert Kerschbaumer, Meister des Verwirrens. Die Geschäfte des Kunsthändlers Friedrich Welz, Wien 2000. 

Fritz Koller, Das Inventarbuch der Landesgalerie Salzburg 1942–1944 (Schriftenreihe des Salzburger Landesarchivs 12), Salzburg 2000. 

Imma Walderdorff, Schloss Klessheim. Gästehaus des Führers 1940–1945, Heidelberg 2020, online unter: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/7136/1/Walderdorff_Schloss_Klessheim_2020.pdf.

Emilia Schatzl

Emilia Schatzl wurde 1999 in Salzburg geboren, hat ihr Studium der Kunstgeschichte in Salzburg abgeschlossen und studiert aktuell Geschichte. Sie ist stellvertretende Obfrau des KZ-Verband/VdA Salzburg (Landesverband Salzburg österreichischer AntifaschistInnen, WiderstandskämpferInnen und Opfer des Faschismus) und arbeitet als Museumspädagogin.