Im Porträt

800 m² für zeitgenössische Kunst

03. Februar 2025
Medea Canazei

You can do better - Bad Painting Recommended by Laura Helena Wurth 19 September – 14 November 2020 photo credits: ©Andrew Phelps

Vor vier Jahren haben Boris Lesicky und Josef Pipo Eisl ihre Galerie im Salzburger Stadtteil Schallmoos gegründet: Die Elektrohalle Rhomberg. In der ehemaligen Industriehalle im Gewerbegebiet hinter dem Salzburger Hauptbahnhof führen die beiden seit 2020 ein Programm, das junge, aufstrebende Talente und schon etablierte Positionen mit dem Fokus auf Malerei präsentiert. Im Interview mit Medea Canazei sprechen sie über ihr Programm, junge Künstler:innen, den Kunstmarkt und das richtige Bauchgefühl.

Medea: Hattet ihr schon immer auch Kunst bei euch Zuhause hängen?

Boris: Eigentlich gar nicht, nein, nein. Irgendwas hing auf jeden Fall an den Wänden, aber das war jetzt nicht so explizit zeitgenössische Kunst.

Pipo: Wir kommen beide nicht aus Familien, in denen jemand Kunst sammelt oder die Eltern Künstlerinnen und Künstler sind.

M: Wann habt ihr begonnen, euch für Kunst zu interessieren?      

P: Zur Bildenden Kunst gekommen bin ich über mein Jus-Studium – das fand ich nämlich ganz schrecklich…

B: Ich hab’ das auch einmal studiert, daher kennen wir uns tatsächlich. So lange sind wir schon befreundet?!

P: Genau. Stimmt. (lacht) Zusammen gewohnt haben wir auch. Wann war das? Vor zehn Jahren? Ich fand das Studium jedenfalls so schrecklich, dass ich dachte: „Es muss etwas anderes für mich geben“ und hab dann mit Kunstgeschichte begonnen – was auch wahnsinnig langweilig war. Aber dadurch kam ich dann an ein Praktikum bei einer Galerie in Salzburg. Und das fand ich irre. Irre spannend. Das war damals eine völlig neue Welt für mich. Ich wusste schon, was eine Galerie ist, aber was genau die machen, wusste ich nicht wirklich. (lacht)

B: Das weiß man ja auch nicht, weil es ein so abstrakter Begriff ist. Alles Mögliche nennt sich „Galerie“.

M: Teils nennen sich ja auch Einkaufszentren so.

B: Stimmt, weil es ja kein geschützter Begriff ist.

P: Das war jedenfalls eine ganz neue Welt, in der ich da hängengeblieben bin.

B: So richtig Bezüge zur Kunstwelt hatte ich eigentlich auch nicht. Das habe ich alles erst durch Pipo kennengelernt, als er seine Anfänge in der Galerie hatte – und fand es sofort wahnsinnig faszinierend.

M: War euch auch von Anfang an schon klar, dass zeitgenössische Kunst – also viele junge Künstler:innen, die in den 80ern und 90ern aufgewachsen sind – für euch das Verbindende sein würde?

B: Das hat sich so entwickelt. Es fühlt sich richtig an, mit Künstler:innen zusammenzuarbeiten, die etwa unsere Generation sind. Es ist schön, wenn man gemeinsam etwas aufbaut und auch sehr ähnliche Interessen hat – wir verstehen uns ja auch gut mit den Künstler:innen. Wenn man die Laufbahn von Anfang an begleitet, dann sieht man auch eine Entwicklung. Das ist auch für die schön, die jung anfangen mit dem Sammeln – die wachsen da auch mit.

P: Vor vier Jahren, als wir mit der Galerie gestartet haben, da haben wir teilweise Künstler:innen zum ersten Mal gezeigt, die mittlerweile von Galerien angefragt werden, aus London, New York oder Berlin. Das freut uns sehr, weil wir das quasi…

B: …angestoßen haben.

M: Der Ausstellungsraum hat ebenfalls eine, auch für euren Namen bezeichnende, Geschichte. Ursprünglich war es doch ein altes Kabellager, oder?

B: Ja, für elektronisches Zubehör. Hier wurden Kabel für die Großindustrie vertrieben, deswegen auch der Name. Also da, wo jetzt die Ausstellungsfläche ist, war eigentlich der Lagerraum.

M: Dann habt ihr alles so belassen?

B: Ja, es ist jetzt gerade im ursprünglichen Zustand, das macht ja auch den Charme ein bisschen aus. Man könnte hier natürlich auch alles verkleiden, aber die ganzen Kabel und Rohre und die sperrigen Lüftungen da oben haben auch ihren Appeal. Damit gibt es diesen ästhetischen Bruch zwischen der Kunst und diesem Industrieraum. Das ist irgendwie ganz schön. Das macht es auch für Salzburg recht besonders. Vor allem, wenn man zum ersten Mal hierher kommt und durch diese kleine Treppe in diese große Halle geht und erstmal gar nicht weiß, wie einem geschieht. (lacht)

P: Wir haben sogar einen Filmraum, da ist früher der Registrar gesessen. Da haben wir jetzt eine Art Kino eingerichtet  – das wird jetzt in der nächsten Ausstellung wieder bespielt.

B: Genau, das machen wir dieses Jahr sogar öfter.

P: Insgesamt haben wir damit um die 800 m2 Ausstellungsfläche. Wahrscheinlich macht es das zur größten Galerie Österreichs. (lacht)

B: Die größte Galerie Österreichs … räumlich betrachtet. (lacht) 

P: Du musst dann bitte in Klammern immer ‘lacht’ schreiben. (lacht)

B: ‘Lacht panisch’. ‘Lacht verunsichert’.

P:  ‘Räuspert sich’. (lacht) Das mit „die größte Galerie Österreichs“ finde ich schon witzig.

M: Was sind die Herausforderungen für euch als Galerie für zeitgenössische Kunst?

P: Als wir im Juni/Juli 2020 gegründet haben, war Corona natürlich ein Thema für uns. Das war dann zwischen Lockdowns, dadurch konnten wir nie richtig offen haben. Das wird oft vergessen. Und es gab auch keine Kunstmessen, an denen wir teilnehmen konnten. Das war eine große Schwierigkeit, weil für junge Galerien vor allem Kunstmessen sehr wichtig sind. Dazu kommt, dass generell in Österreich … Kann man von Salzburg auf Österreich schließen?

B: Kann man schon, denke ich.

P: Naja, wahrscheinlich sogar auf Europa insgesamt … das ist ein wirklich sehr kleiner Markt – man überschätzt es immer. Medial hat er viel Präsenz, aber im Vergleich zu anderen Branchen ist er winzig – bei gleichzeitig unglaublich vielen Akteur:innen. Allein die Zahl an Messen und wie viele Galerien es in Wien oder in Österreich gibt. Das ist völlig unverhältnismäßig.

B: Gleichzeitig steigen die Kosten für Transport, Produktion oder Mieten stark an, während die Preise sich nur langsam anpassen. Wir können nicht einfach Fantasiepreise festlegen, da der Markt ja zum Glück transparenter geworden ist. Natürlich steigen die Preise für Kunstwerke auch, aber es muss halt nachvollziehbar sein. Du kannst das nicht von heute auf morgen einfach verdoppeln.

P: Bei den Künstlerinnen und Künstlern, die wir zeigen, gibt es ein Preisniveau und das wird sich nicht so schnell ändern. Das sind jetzt für mich die größten Herausforderungen. Das ist aber auch unser Konzept. Wir wollen mit den Künstler:innen gemeinsam wachsen und uns langsam, aber nachhaltig, etablieren. Dazu kommt, dass wir in direkter Konkurrenz mit Galerien stehen, die seit Jahrzehnten etabliert sind. Messen sind hart umkämpft. Bei einer Messe in Basel zum Beispiel sind 90 Prozent der Plätze an feste Teilnehmer:innen vergeben, da bleiben nur wenige Plätze übrig, um die sich dann 1000 Galerien bewerben. Der Markt ist dadurch sehr festgefahren und es gibt eigentlich keinen Platz mehr für junge Akteur:innen. Gleichzeitig macht das aber auch den Reiz der Sache aus, finde ich.

M: Wie wählt ihr Künstler:innen für eure Ausstellungen aus?

P: Pluralismus ist uns im Programm sehr wichtig – wir möchten verschiedene Stile abdecken, mit einem klaren Fokus auf Malerei, was man ja sieht. Dabei spielt natürlich auch unser persönlicher Geschmack eine Rolle.

B: Genau. Man muss das, was man ausstellt, auch mögen. Sonst ist es nicht glaubwürdig. Wir arbeiten dabei eng mit den Künstler:innen zusammen, deren Werke oft direkt aus dem Studio kommen oder speziell für uns produziert werden.

P: Entscheidend sind Kategorien wie Innovation oder Marktrelevanz. Ein Werk sollte etwas Neues bieten, eine klare ästhetische oder inhaltliche Qualität haben und zur Galerie passen. Besonders der Wiedererkennungswert ist ein zentraler Punkt.

M: Merkt ihr im Verkaufsprozess schnell, was gut ankommt?

P: Das spürst du sofort.

B: Wir wissen meistens schon vorher, welche Arbeiten die besten sind – und das sind dann auch die, die als Erstes verkauft werden.

P: Das ist nur Bauchgefühl, aber irgendwie stimmt das fast immer.

B: Es ist verrückt, wie auch alle Besucher:innen häufig auf die selben ein, zwei Arbeiten gehen.

M: Was macht Künstler:innen erfolgreich?

P: Die Punkte Innovation, Qualität und Wiedererkennungswert halte ich auch hier für wichtig. Und zudem die wiederkehrende Präsenz in Galerien, Expositionen, Messen und Medien – und zwar wirkliche Präsenz.

B: Das heißt dauerhafte Präsenz. Außerdem ist es wichtig, bei sich zu bleiben. Ich glaube, das ist der Schlüssel. Dann passt sich der Markt eher an die Künstler:innen an oder es entsteht ein neuer Markt, anstatt dass sich Künstler:innen versuchen müssen anzupassen. Wenn du von Anfang an sagst: “Okay, ich suche mir was raus, das funktioniert”, dann wird das durchschaut. So einfach ist das leider nicht.

P: Da steckt halt viel Arbeit dahinter. Die meisten Künstler:innen, mit denen wir arbeiten, haben einen regelmäßigen Zeitplan und arbeiten strukturiert. Die erfüllen nicht dieses Klischee, wie man sich das künstlerische Arbeiten vielleicht vorstellt – mit Absinthrausch oder so. (lacht) Das gibt es bei uns nicht. Ich würde sagen, wenn, und das klingt so banal, aber wenn ein:e Künstler:in davon leben kann, das ist aus meiner Sicht schon erfolgreich.

M: Wie entscheidet ihr bei einer Ausstellung, welche Werke wo platziert werden?

B: Das ist absolutes Bauchgefühl. Es ist lustig, wenn du eine Ausstellung hängst. Die Künstler:innen kommen ja nicht her und wissen genau, was wo hängen soll. Was machen wir da also? Wir laufen herum, probieren aus – und irgendwann macht es „Klick“. Dieser Punkt kommt eigentlich immer.

P: Man spürt es dann. Es dauert so eine Stunde …

B: … in der wir wirklich wie verrückt durch die Halle laufen.

P:  Ganz hektisch, hektisch, hektisch.

B: Hektisch, panisch, nervös, Schnappatmung – auch müde irgendwann. Aber ich mag das. Das macht schon Spaß – dieser Moment, wenn plötzlich alles aufgeht, das ist so toll. Oft sind es nur ein oder zwei Details, die noch nicht ganz passen. Dann verändert man zum Beispiel eine Position und plötzlich fügt sich alles perfekt zusammen. Und dann sind alle glücklich.

24. Januar 2025 bis 15. März 2025

Pointe
Gregor Eldarb, Karine Fauchard, Bernhard
Frue, Haruko Maeda, Martina Steckholzer,
Marcus Weber, Gerlind Zeilne
Elektrohalle Rhomberg