Weibliche Skulpturen haben oft keinen Kopf: Ein Gespräch über Queerness, Stereotype und wie Kunst damit spielen kann
25. Oktober 2024
Gastbeitrag
Ines Kirchschläger vom HOSI Art Kollektiv im Gespräch mit Cornelia Maier (Museum der Moderne Salzburg) über die neue queere Ausstellung Generator #3: Queering Space!
Ausstellungen mit Queerness-Bezug gab es im Museum der Moderne Salzburg schon einige. Zuletzt ging es in Queer*fem* magaZINES. Queeres und feministisches Publizieren in Kunst und Kultur im Sommer 2023 um queer-feministische Magazine. Nun widmet sich das Museum im Rahmen des jungen Formats Generator erneut queeren Themen und verknüpft dabei die umliegende Schau Der Raum in unseren Köpfen. Die Sammlungen mit einem neugierigen Blick auf das Salzburger Stadtleben.
Cornelia: Was war der Ausgangspunkt für das Projekt Generator #3: „Queering Space! und wie hat sich das Ausstellungskonzept entwickelt?
Ines: Seit letztem Jahr gibt es mit der Queeren Spurensuche ein Führungsformat im Museum der Moderne, das unterschiedliche Ausstellungen unter ihren vorhandenen, oder eben nicht vorhandenen queeren Aspekten betrachtet. Diese Führungen sind gemeinsam mit der HOSI Salzburg entstanden. Wir haben schnell festgestellt, dass beide Organisationen aus diesem Thema noch viel mehr machen wollen.
Mittlerweile arbeitet das Projektteam seit Ende Mai zusammen. Das Thema der umliegenden Ausstellung Der Raum in unseren Köpfen. Die Sammlungen bietet unfassbar viele Andockmöglichkeiten für queere Themen. Wenn ich als queere Person Kunst betrachte oder über Fragestellungen nachdenke, bringe ich ja automatisch meine Erfahrungen, meine Geschichte, meine persönlichen Assoziationen ein. Also ist jeder meiner Blicke auf die Welt sozusagen auch ein queerer Blick. Und beim Thema Queerness in Verbindung mit dem Thema Raum sind uns allen rasch Beispiele eingefallen. Also Safe Spaces, der Closet (die wohl bekannteste Metapher für ungeoutet sein) und vieles mehr.
Cornelia: Wie ist es dir und euch dabei gegangen, die umliegende Sammlungsausstellung aus der queeren Perspektive zu betrachten? Die Positionen in Der Raum in unseren Köpfen. Die Sammlungen sind ja sehr unterschiedlich.
Ines: Wie gesagt, das Raumthema verbindet ja alles und lässt gleichzeitig viel Handlungsspielraum und Interpretationsmöglichkeiten. Es war sogar so, dass wir zu viele Ideen hatten. Der eine Raum wurde zu klein und wir mussten Prioritäten setzen. Wichtig war uns dabei Intersektionalität. So ist zum Beispiel eine künstlerische Position zur Gebärdenkultur dabei, ein regionaler Salzburgbezug und eine historisch-semiotische Referenz.
Cornelia: Ihr habt euch als Projektteam ein paar konkrete Fragen gestellt. Zum Beispiel „Welche Denkmäler im öffentlichen Raum stehen eigentlich für Diversität?“ oder „Wie grenzen geschlechtliche Stereotype den Raum in unseren Köpfen ein – und wie wirkt sich all das auf die Annäherung an Kunst im Museum aus?“. Habt ihr Antworten darauf gefunden?
Ines: Die erste Frage ist am besten mit ein paar Beispielen zu beantworten. Also ja – wir haben uns auf die Suche begeben und tatsächlich viel gefunden. Zum Beispiel Gedenkstätten, die einen direkten Bezug zu historischen Ereignissen herstellen wie der graue Regenbogen am Wiener Karlsplatz oder die Büste von Helmut Berger vor dem Stadttheater in Bad Ischl. In Salzburg gibt’s weniger, aber ich nenne hier gerne die Stolpersteine im Stadtgebiet oder die Irma-von-Troll-Straße.
Bei der zweiten Frage muss ich größer ausholen. Wir Menschen haben ja permanent das Bedürfnis, etwas zu kategorisieren oder ein- bzw. zuzuordnen, obwohl eine Zuordnung doch eigentlich keine Rolle spielen sollte. Und wenn ich im Museum oder im Stadtpark eine Skulptur aus Oberkörper und Kopf von Weitem sehe, denke ich mir: „Sicher ein Mann“. Uns wird schon immer vermittelt, die denken ja viel mehr und der Kopf sei wichtig. Weibliche Skulpturen haben oft gar keinen Kopf, sondern nur Brüste, einen Bauch, Schenkel und stellen Bachnymphen oder sonstige mythologische Figuren dar. Das kann dann auf Betrachtende so wirken, als wären Männer viel intellektueller als Frauen, denen man vermeintlich mehr Sinnlichkeit und Gefühl zuschreibt.
So können durch Kunst sowohl Stereotype verstärkt, erschaffen, aber auch bewusst aufgebrochen werden, indem zum Beispiel etwas traditionell männlich konnotiertes weiblich dargestellt ist. Gleichzeitig muss überhaupt hinterfragen werden, was denn eigentlich männlich und weiblich bedeutet. Im Kontext von sozialem Geschlecht ist das alles ja ein Konstrukt.
Deshalb ist es wichtig und auch Aufgabe von Museen, diese Kategorien aufzubrechen. Im Museum der Moderne Salzburg stand im ersten Teil der Sammlungsausstellung Räume öffnen! beispielsweise eine Plastik bestehend aus einem Kleidungsstück (ein Anzug) und auch ich selbst habe mich dabei ertappt, dass ich zuerst gedacht habe, da stünde ein Mann, obwohl doch Frauen genauso Anzüge tragen.
Cornelia: Wie kann Kunst dazu beitragen, gesellschaftliche Normen infrage zu stellen und neue Räume zu eröffnen?
Ines: Kunst kann so viel. Uns bilden, uns unterhalten, uns fordern, uns schockieren oder provozieren, uns bezaubern, bestehende Systeme stürzen – Kunst ist ein Werkzeug. Sie kann uns manipulieren oder aufklären. Ohne das Infragestellen gesellschaftlicher Normen gibt es keinen Fortschritt. Und die Kunst hat die Freiheit, Dinge dafür ins Rollen zu bringen.
Oft stützen gesellschaftliche Normen bestehende Herrschaftssysteme und unterdrücken damit bestimmte Bevölkerungsschichten. Die Auseinandersetzung mit Kunst schult unsere Fähigkeit, verknüpft zu denken und Zusammenhänge in unserem komplexen Weltsystem zu erkennen bzw. herzustellen.
11. Oktober 2024 bis 23. März 2025
Ausstellung GENERATOR #3: Queering Space!
Queering Space! wurde über einen Projektzeitraum von mehreren Monaten in Kooperation mit der HOSI Salzburg und der queeren Stadtgesellschaft respektive der LGBTIQA*-Community Salzburgs gestaltet. Die Ein-Raum-Ausstellung stellt queere Perspektiven zur Diskussion, die auch die Themen der umlaufenden Sammlungsausstellung betreffen.


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