Review

Funkenflug, Reibung und Hochglanz

09. Oktober 2025
Julia Mariacher

Das Trio von Chiara Bartl-Salvi, Chihiro Araki und Elena Francalanci in synchroner Formation während Heat Island, Toihaus Salzburg 2025
Chiara Bartl-Salvi, Heat Island, Toihaus Salzburg © Patrick Winkler & Fabian Czernovsky, Courtesy of Chiara Bartl-Salvi

Chiara Bartl-Salvi zeigt mit „Heat Island“ in Produktion mit Toihaus Salzburg und Tanzquartier Wien eine Performance, die sich dem Bewegungsrepertoire kommerzieller Tänze bedient und mit Boden- und Reibungskontakt spielt

Das Performance-Trio schlüpft in Sneaker, funkensprühende „Sparkling Shoes“ und Flipflops, bewegt sich auf rauem Terrain und hochglänzendem Boden. Die streng synchronen Trio-Szenen in Dreiecksformation, Fußarbeit, verspielten Solos und selbstbewussten TikTok-Zitaten befinden sich in Wiederholungsschleifen. Die Freude an Bewegung und das Selbstbewusstsein, die sie hervorruft, kann 1000-fach wie ein TikTok-Kurzvideo wiederholt werden und behält trotzdem Glanz und Wirkung.

Close-up der Sparkling Shoes aus der Performance Heat Island: Funkenflug bei rhythmischer Reibung über die Bodenfläche im Toihaus Salzburg
Chiara Bartl-Salvi, Heat Island, Toihaus Salzburg © Patrick Winkler & Fabian Czernovsky, Courtesy of Chiara Bartl-Salvi

Im Wechsel der Schuhe leuchtet das Performance-Trio

Der Bühnenraum ist kühl und schwach geleuchtet, drei Paar Schuhe liegen zum Wechsel bereit. Das Performerinnen-Trio steht dicht in Dreiecksformation in der Ecke einer rauen Bodenfläche, die von schwarzem Hochglanzboden umgeben ist. Diese kleine Fläche wird zu ihrer städtischen Heat Island, wo die Temperatur höher ist als ihre glänzende Umgebung. Wie beim Zünden eines Streichholzes sprühen Funken, wenn ihre Schuhsohlen zuerst langsam, dann im gleichbleibenden Rhythmus über den mit Griptape überzogenen und dadurch reibungsintensiven Boden ziehen. Die „Sparkling Shoes“ (Bühnenbild und Schuhe: Patrick Winkler), die das ermöglichen, sind wohl das markanteste Element der Performance. Durch den Funkenflug leuchtet der Bühnenraum warm auf, das gebückte Trio wird hell erleuchtet. Die Sohlen schleifen rhythmisch über den Boden, die Performerinnen stellen die Schuhspitzen auf, schaukeln die Hüften und wiederholen die Sequenz, beschleunigen sie und entwickeln sie weiter. Die Funken erleuchten kurzfristig ihre Gesichter, es steigen kleine Rauchschwaden durch den Reibungswiderstand hoch, im Hintergrund läuft eine städtische Klanglandschaft. Das Trio wendet dem Publikum immer wieder den Rücken zu und neigt den Kopf nach unten. Die hohe Konzentration auf die synchrone Fußarbeit zeigt sich anfänglich in einem gehaltenen Oberkörper. Wenn die Künstlerinnen sich lösen und gelegentlich der Blick vom Boden gehoben wird, lenkt das freudige Blitzen in ihren Augen die Aufmerksamkeit auf die gesamte Szene und bringt die Körperlichkeit des Trios und die kühne visuelle Verstärkung des Funkenflugs.

Performance Heat Island von Chiara Bartl-Salvi mit funkensprühenden Sparkling Shoes, Bühne des Toihaus Salzburg 2025
Chiara Bartl-Salvi, Heat Island, Toihaus Salzburg © Patrick Winkler & Fabian Czernovsky, Courtesy of Chiara Bartl-Salvi

Die Performerinnen schlüpfen nach und nach aus den präparierten „Sparkling Shoes“ und zeigen Solos, die in ihrer Individualität im markanten Gegensatz zu den synchron-konformen Trioszenen stehen. Elena Francalanci steigt in schwarze Flipflops und wirft dem Publikum mit langgestreckten Beinen und auf den Fußballen balancierend kokett Blicke über die Schulter zu. Chiara Bartl-Salvi schlüpft in Sneaker und schickt lockere, wellenartige Bewegungen durch ihre Wirbelsäule und Hüfte. Chihiro Araki zeigt mit funkensprühender Dynamik ein Solo auf der Heat Island mit Schwüngen und Drehungen. Die Szenen suchen den Kontakt zum Publikum und teilen die Freude an der Bewegung, am Schaukeln und Funkeln.

Aufpolierte TikTok-Trends: Vom Smartphone auf die Bühne

Das Trio bedient sich am Bewegungsrepertoire von Musikvideos und zitiert dabei aktuellste Kurzchoreografien, die über die Videoplattform TikTok schnell zu einem weitverbreiteten Trend wurden. Damit lassen die Performerinnen den rauen Boden und die isolierten Funkenschläge der Heat Island für den Hochglanz kommerziellen Tanzes hinter sich. Der starke Verweis auf TikTok positioniert Heat Island zwischen der polierten Welt von Musikvideos und der breiten Zugänglichkeit und Geselligkeit von TikTok-Dance-Challenges, die meist in den eigenen vier Wänden gelernt und aufgenommen werden. Trotz der konformen Dreierformation, der Synchronizität in schaukelnden Bewegungen, der starken Handgesten und des Zerbrechens eines Apfels über dem Kopf verkörpern die Performerinnen die individuelle Freude der Plattform-User:innen, an einem Tanztrend teilzunehmen. Im dramatischen Gegenlicht wird dieser ungezwungene Trend aufpoliert auf die Bühne gestellt.

Close-up der Rücken der Performerinnen in Heat Island – visuelle Konzentration auf Haltung, Gruppendynamik und choreografische Präzision
Chiara Bartl-Salvi, Heat Island, Toihaus Salzburg © Patrick Winkler & Fabian Czernovsky, Courtesy of Chiara Bartl-Salvi

Heat Island kreiert raue und glänzende Szenen mithilfe verschiedenen Schuhwerks. Trotzdem springt die Freude an der Performance erst über, wenn der gefährlich-attraktive Funke der „Sparkling Shoes“, der Glanz und das Funkeln von kommerziellen Bewegungen der TikTok-Tänze durch den Körper bis ins Gesicht des Trios dringt. Hier erst kommen Körperlichkeit, Schuhwerk und Trio-Dynamik zu einer ansteckenden Freude an der Bewegung in rauen Umgebungen zusammen.

Chiara Bartl-Salvi, Heat Island, Toihaus Salzburg © Patrick Winkler & Fabian Czernovsky, Courtesy of Chiara Bartl-Salvi

Heat ISland

Eine Performance von Chiara Bartl-Salvi mit Chihiro Araki, Elena Francalanci

Koproduktion: Toihaus Salzburg, Tanzquartier Wien