Zwischen Bild und Blick
13. November 2025
Ein Gastbeitrag
Anzeige
Die Ausstellung „Visual Echoes – Gegenbilder im Bilderstrom" im Museum der Moderne Salzburg entlarvt mit fünf raumgroßen Arbeiten die Mechanismen medialer Fluten
Bilder bestimmen unseren Alltag. Sie rauschen in unaufhaltsamer Geschwindigkeit an uns vorbei – egal ob in Feeds, Nachrichten, Kino oder Fernsehen. Doch diese vielen Bilderströme sind nie neutral. Bewusst oder unbewusst formen sie unsere Wahrnehmung und Emotionen und tragen dabei Ideologien, Stereotype sowie Machtverhältnisse in sich. Doch was geschieht, wenn man diesen Strom unterbricht? Wenn man die Bilder anhält, sie neu ordnet, radikal reduziert, wiederholt oder überlagert?
Die Ausstellung Visual Echoes – Gegenbilder im Bilderstrom im Museum der Moderne Salzburg macht genau das. Mit fünf raumgroßen Arbeiten von fünf internationalen Künstler:innen werden die Mechanismen der medialen Fluten präzise entlarvt. Was daraus entsteht, sind kraftvolle Gegenbilder – kritische visuelle Echos, die sich den gängigen Sehgewohnheiten widersetzen.
Dieses Prinzip wird schon beim ersten Betreten der Ausstellung deutlich: Dunkelheit, flackernde Projektionen und ein pulsierender Sound. Arthur Jafas Arbeit SloPEX (2022) zieht sofort in den Bann. In schneller Abfolge gleiten Schwarz-Weiß-Bilder über die Wand. Der Rhythmus ist überwältigend, fast hypnotisch. Die Videoinstallation verzichtet auf eine lineare Erzählung, sie setzt ganz auf die emotionale Wucht der Bilder: Szenen mit besonderer Assoziationskraft, die an die Geschichte Schwarzen Lebens zwischen Gewalt, Widerstand und Selbstbehauptung erinnern.
Ana Torfs untersucht den Bilderstrom auf andere Weise. Der Raum ist still, nur das Klackern des Dia-Projektors gibt einen rhythmischen Ton vor. Auf zwei großen Leinwänden blicken eine Frau und ein Mann frontal, ernst und unbeirrbar entgegen. Mit jedem Bild wechseln Kleidung, Frisur und Accessoires; Haltung und Blick bleiben gleich. So entstehen immer neue Rollenbilder, Identitäten und Beziehungskonstellationen. Man erkennt Vertrautes und merkt zugleich, wie sehr unsere Deutungen von kulturellen Mustern geprägt sind. Auf 14 Tischen liegen die ungebundenen Blätter eines „Buches im Entstehen“. Zusammen mit den Porträts bildet es ein offenes System von „Wahlverwandtschaften“, das Begriffe wie Wahrheit, Maske und Identität spielerisch und zugleich entschieden befragt.
Einen ähnlichen Zugang sehen Besucher:innen einen Raum weiter. 1991 von Mathias Poledna und Karthik Pandian (2010) zeigt das Model Marike Le Roux in einer Filmaufnahme von exakt einer Sekunde – 24 Einzelbilder, von denen täglich eines zu sehen ist. Zwischen fotografischem Stillstand und filmischer Zeit entfaltet sich eine subtile Spannung. Zugleich verweisen die im Bild sichtbaren Codes auf Mode- und Medienästhetiken der 1950er- bis 1990er-Jahre – ein selektiver Streifzug, radikal verdichtet zu einer einzigen Bildsequenz.
Schneller für das Auge wird es wieder bei Psi Girls (1999) von Susan Hiller. Im Raum sind fünf isolierte und veränderte Szenen aus Spielfilmen zu sehen, in denen Mädchen und junge Frauen durch reine Willenskraft Dinge bewegen. Es sind Ausschnitte aus dem kollektiven Bildergedächtnis des Kinos, darunter bekannte Filme wie Matilda (1996, Danny DeVito). Was im Spielfilm als kurzer Höhepunkt vorbeirauscht, wird hier zu einer Choreografie des Sehens: Farbe, Rhythmus und Synchronität verdichten Blicke, Gesten und Affekte. Das Bild des „mächtigen Mädchens“ schwankt zwischen Autorität und Verletzlichkeit, Kontrolle und Ekstase; stereotype Erzählungen über Weiblichkeit werden sichtbar und zugleich unterlaufen.
Den Abschluss bildet Album VIII (2009) von Luis Jacob. Hier steht kein Bild für sich allein. Hunderte Abbildungen aus Büchern und Magazinen – etwa Stadtansichten, Architekturen, Körper oder Gesten sind zu 76 aneinandergereihten Bildtafeln versammelt. Es entsteht eine rein visuelle Grammatik aus Reim, Rhythmus und Assoziation – ein Gesamtbild, das sich erst mit dem Blick der Betrachter:innen erschließt. Aus den kleinsten Gemeinsamkeiten von Motiven, Formen und Gesten zwischen benachbarten Bildern entwickeln sich Erzählstränge, die wir selbst weiterschreiben. Seine Arbeit erklärt nicht; sie macht das Sehen selbst zum Thema – poetisch, präzise und bewusst unabgeschlossen.
So entstehen in der Ausstellung fünf unterschiedliche Zugänge zu einer gemeinsamen Frage: Wie wirken die Bilder, die uns umgeben – und was geschieht, wenn man sie verändert? Visual Echoes zeigt, dass Kunst nicht nur neue Bilder schafft, sondern auch bereits bestehende befragt. Sie macht sichtbar, wie sehr visuelle Medien unsere Wahrnehmung formen – und lädt dazu ein, den eigenen Blick zu überprüfen.
Bis 8. März 2026
Museum der Moderne Salzburg (Mönchsberg)
Mönchsberg 32
5020 Salzburg, Austria
Visual Echoes ist eine von der Generali Foundation – Dauerleihgabe am Museum der Moderne Salzburg – konzipierte Ausstellung. Kuratiert wurde die Schau von Jürgen Tabor.
Das könnte dich ebenfalls interessieren
Face to Face: Die österreichische Porträtmalerei des 19. Jahrhunderts in einem neuen Licht
August 1, 2025
Weibliche Skulpturen haben oft keinen Kopf: Ein Gespräch über Queerness, Stereotype und wie Kunst damit spielen kann
Oktober 25, 2024