Earth Makers – Wer macht die Welt?
3. Oktober 2025
Vannina Horbas
Die Galerie Sophia Vonier präsentiert Werke von Johanna Binder unter dem Titel „Earth Makers“. Gezeigt werden Aquarellmalereien sowie Reliefs aus Kunstharz, auf denen sich tropische Pflanzen ranken. Die Illusion von Natürlichkeit kippt sofort: Hinter sattem Grün und üppigen Blüten liegt ein grau-weißes Schachbrettmuster, wie man es aus Photoshop kennt – ein Symbol digitaler Bildproduktion
Die hellen Galerieräume zwischen den vollen Baumkronen der Franz-Josef-Straße vermitteln zugleich Leichtigkeit und Sterilität – ein Kontrast, der sich auch in Binders Arbeiten findet. Auf den ersten Blick wirken die floralen Muster dekorativ, irritieren jedoch beim näheren Hinsehen: Geometrische Formen, Maschinen, römische Ziffern treten zutage. Die Pflanzen erscheinen hyperrealistisch, in leuchtenden Aquarellschichten, scharf voneinander abgegrenzt und von grafischer Präzision.
Von feministischen Performances über florale Installationen bis hin zu detailreichen Malereien erstreckt sich ihr Œuvre. Immer wieder kehrt sie zur Frage zurück, was „Natur“ bedeutet und wie sie durch menschliches Eingreifen geformt wird. Binder spricht von der Natur als „Protagonistin“, die über sich selbst Geschichten erzählen kann und übt sich so, dem konstruierten Naturmodell eine eigene Stimme zuzuordnen. In EARTH MAKERS bleibt diese Rolle jedoch ambivalent. Zu glatt und reguliert erscheint die Flora, um autonom oder gestalterisch aufzutreten. Gerade darin liegt das Spannungsfeld der Arbeiten. Während die Künstlerin selbst in den Hintergrund rückt, fungieren ihre Werke als Träger von Forschung, Diskurs und Reflexion. „Es ist Kunst, die eine Erklärung braucht“, betont Galeristin Vonier.
Ausgangspunkt ist Binders Forschungsarbeit im Rahmen ihrer Dissertation am Mozarteum in Salzburg. Dabei beschäftigt sie sich mit Ascension Island, eine vulkanische Insel im Südatlantik. Einst unbewohnt, wurde die Insel ab 1815 von der British Navy besetzt, um Napoleon auf der Nachbarinsel St. Helena zu überwachen. Zugleich diente sie als botanischer Experimentierraum: aus dem Import afrikanischer, europäischer und südamerikanischer Pflanzen entwickelte sich ein eigenständiges Ökosystem. Inzwischen zählt Ascension Island rund 800 Einwohner:innen, verfügt über eine eigene Verwaltung, diente zeitweise als NASA-Tracking-Station und wird bis heute in Verbindung mit der Royal Air Force genutzt. Binder greift hier Fragen von ökologischem Imperialismus und Terraforming auf – Themen, die in ihrer konzeptuellen Recherche präsent sind, aus den Bildern selbst jedoch nicht unmittelbar hervortreten.
Auffällig ist, dass der Mensch in den Bildern fehlt, obwohl er sie geschaffen hat. Daraus ergibt sich eine paradoxe Situation: Wir Menschen dominieren akribisch, teils gewaltvoll, Natur und Technik. Gleichzeitig entledigt sie sich unserer Anwesenheit. Wir bleiben orientierungslos zurück – zwischen der Folie des Natürlichen und dem Schachbrettmuster hinter uns. Mit EARTH MAKERS legt Binder kein eindeutiges Statement vor, sondern eine Verdichtung von Widersprüchen: Schönheit kippt in Fremdheit, Forschung in Technisierung, Natur in Simulation. Ihre Arbeiten zeigen, dass „Natur“ längst kulturell besetzt ist – und dass diese Belagerung die eigentliche Irritation darstellt.
bis 19. Oktober 2025
EARTH MAKERS
Johanna Binder
Galerie Sophia Vonier
Öffnungszeiten auf Anfrage
Johanna Binder (*1985) studierte Malerei in Linz sowie Malerei, Animation und Transarts an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 2016–2017 war sie Stipendiatin an der Van Eyck Academie in Maastricht, seit 2023 verfolgt sie ein PhD-in-Practice-Projekt am Mozarteum in Salzburg. 2022 wurde ihr das Staatsstipendium für Bildende Kunst des BMKÖS zugesprochen, 2024 wurde sie mit dem Art Albina Award ausgezeichnet. Parallel zu EARTH MAKERS zeigt Binder weitere Werke bis zum 19. Oktober unter dem Titel Talking Land in der Galerie FÜNFZIGZWANZIG.


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